Sechs CTO-Trends 2026: Auf dem Weg zum autonomen SDLC
Die Ära der passiven KI-Chatbots ist vorbei. Im Jahr 2026 wird sich der Softwareentwicklungszyklus (SDLC) auf autonome Agenten verlagern, d. h. auf intelligente Akteure, die eure Infrastruktur durchstreifen, um manuelle Arbeit zu vermeiden. Von der Automatisierung von Prüfprotokollen bis hin zur Verwaltung von Service-Neustarts unterstützen Agenten nicht nur Entwickler, sondern führen auch eigenständig Operationen aus, was zu einem enormen Sprung in der Entwicklungsgeschwindigkeit führt.
1. Globale KI-Governance: Risiken durch „Shadow AI“ minimieren
Organisationen benötigen KI-Tools, um sich weiterzuentwickeln. Sie müssen jedoch mit dem richtigen Maß an Governance eingeführt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass geistiges Eigentum abfließt oder, noch schlimmer, dass KI-Tools unkontrollierten Zugriff auf personenbezogene Daten (PII) erhalten. Wenn eure Plattform nicht standardmäßig ungeprüfte LLM-Endpunkte blockiert, verlässt euer IP bereits das Unternehmen.
Während wir alle versuchen, den Wettbewerbsvorteil von KI möglichst schnell zu nutzen, geraten klare Richtlinien und deren Einhaltung oft in den Hintergrund. Dieses Thema ist nicht neu, doch die Geschwindigkeit von KI und ihr Zugriff auf sensible Informationen machen Governance zu einer hochkritischen und dringlichen Aufgabe.
Wie bei gutem Platform Engineering üblich, geht es um die Balance zwischen maximaler Freiheit und akzeptablem Risiko. Ich erwarte einen stärkeren Fokus darauf, die richtigen Tools bereitzustellen – so konfiguriert, dass sie euch nicht auf die Titelseiten der Nachrichten bringen.
2. Von Copiloten zu autonomen Agenten: Der Übergang zu agentengesteuerten Abläufen
Es besteht kein Zweifel daran, dass KI die Branche revolutioniert hat – und dies auch weiterhin tun wird. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der KI-Adoption war ihre schnelle Verfügbarkeit für alle und ihr Nutzen im Alltag, etwa beim Debuggen von Code oder beim Entwickeln kreativer Lösungsansätze.
Der nächste Schritt geht jedoch über assistierende Systeme hinaus: autonome Agenten, die unser Arbeits- und Privatleben aktiv bereichern.
Der Übergang zu vollständig autonomen Agenten wird Zeit brauchen, doch ich erwarte ihren ersten breiten Einsatz im Bereich SRE und Incident Response. Ziel ist es, Resilienz zu erhöhen und so schnell wie möglich auf Vorfälle reagieren zu können – sei es auf Applikations-, Infrastruktur- oder Cybersicherheitsebene.
"Etwas, das sich ändern wird, ist, dass KI-Tools als Teil der Unternehmens-Tools in die Build-Pipeline eingebaut werden." Henri Terho, leitender KI-Berater, Eficode
Das Potenzial geht dabei weit über Infrastruktur und Sicherheit hinaus und betrifft den gesamten SDLC. Große Anbieter wie GitHub oder Port.io gehen hier voran und integrieren Agenten in ihre Plattformen. Statt geschlossener Ökosysteme zeichnet sich jedoch ein Trend zu offenen Systemen ab, die Drittanbieter- und individuelle Agenten zulassen.
Positiv ist, dass sich die Branche zunehmend darauf konzentriert, spezialisierte Lösungen zuzulassen, statt halbfertige All-in-one-Produkte zu liefern. Unabhängig davon, ob man sich für einen großen Anbieter oder eine alternative Lösung entscheidet, bleibt entscheidend: Kontrolle darüber zu haben, was läuft, wie es angebunden ist und auf welche Daten es zugreifen darf.
3. Regulatorische Vorbereitung: Compliance mit EU AI Act und Cyber Resilience Act
Mit den kommenden Gesetzen wie dem EU AI Act und dem EU Cyber Resilience Act – die bestehende Vorgaben wie DORA und NIS2 ergänzen oder konkretisieren – wird es essenziell, den SDLC vollständig unter Kontrolle zu haben. Organisationen müssen auditsicher sein und im Ernstfall lückenlose Audit-Trails nachweisen können.
Dieser hohe Bedarf an Kontrolle macht Platform Engineering unverzichtbar. Gute Plattformen integrieren Sicherheit direkt in das Produkt, das Entwickler täglich nutzen. Neben sicheren Plattformen wird 2026 auch „Compliance as Code“ stärker in den Fokus rücken. Zwar gibt es noch keine dedizierten Tools dafür, doch zahlreiche Anbieter werden diesen Bereich auf Basis bestehender Security-Scanning- und Reporting-Lösungen erschließen.
4. Cloud-Souveränität: Der Wechsel zu europäischen Clouds
Für europäische Unternehmen zeichnet sich ein klarer Trend weg von den großen Hyperscalern ab. Getrieben durch DSGVO und ähnliche Initiativen wächst der Bedarf an Datenresidenz, operativer Souveränität und klaren Zuständigkeiten in Bezug auf Jurisdiktionen. Mit dem bevorstehenden EU Cloud Services Cybersecurity Certification Scheme (EUCS) ist zu erwarten, dass mehr Organisationen auf EU-basierte Cloud-Anbieter setzen.
Dadurch entfallen Diskussionen über US-Tochtergesellschaften großer Anbieter, die rechtlich nicht vollständig EU-gebunden sind. Parallel dazu bauen europäische Cloud-Provider ihre Angebote deutlich aus: von Bare-Metal-Lösungen hin zu Managed Services mit klar definierten Shared-Responsibility-Modellen.
Henri Terho beschreibt diese Entwicklung so:
"Aus Sorge um ihre Daten werden viele Organisationen aufgrund politischer Rahmenbedingungen und des aktuellen US-Verhaltens auf europäische Clouds und On-Premise-Lösungen wechseln."
Offen bleibt dabei die Frage nach KI-Workloads. Viele europäische Anbieter bieten inzwischen Bare-Metal-GPUs oder GPU-fähige Kubernetes-Cluster an. Zwar erfordert dies mehr operativen Aufwand als Cloud-Services „von der Stange“, reduziert jedoch das Risiko von Datenabfluss. Gleichzeitig steigt der Bedarf, KI-Funktionalitäten sauber in Developer Platforms zu integrieren.
5. Platform-Engineering-Strategie: „Platform as a Product“
Bei allen sich abzeichnenden Trends für 2026 ist die Notwendigkeit eines robusten Plattform-Engineerings offensichtlich. Dabei geht es nicht nur um Standardisierung, sondern um einen echten Produktansatz. Entwicklerplattformen müssen wie jedes andere Produkt geführt werden – mit Roadmaps, Nutzerfeedback, Communities und gezielten Investitionen, um Shadow IT zu vermeiden.
Gleichzeitig müssen künftig mehr Stakeholder einbezogen werden. Neben Entwicklern und Plattformteams benötigen auch Engineering Manager, FinOps-Verantwortliche und sogar C-Level-Funktionen Transparenz über den Zustand der Organisation.
Dieser Trend passt zur Verschiebung von IT als reiner Kostenstelle hin zu klarer Ergebnisverantwortung in Business Units. Wer profitabel arbeiten will, muss Kosten und Nutzen von Services verstehen und im Zweifel auch abschalten können.
6. AI FinOps: GPU-Kosten mit Kubernetes DRA optimieren
Da KI langfristig bleiben wird, steigt der Druck, teure Hardware möglichst effizient zu nutzen. Neben Cloud-basierten Modellen bauen viele Unternehmen auch On-Premise-KI-Infrastrukturen auf.
Um den ROI zu maximieren, setzt sich zunehmend das „Bin-Packing“ von KI-Workloads durch. Im Kubernetes-Umfeld hat sich hierfür Dynamic Resource Allocation (DRA) etabliert, um GPUs standardisiert und effizient zu verwalten.
Auch außerhalb von Kubernetes wird der Fokus darauf liegen, Infrastruktur präzise auf Workloads abzustimmen. Erfolgreich ist dabei nur, wer über eine starke, modular aufgebaute Developer Platform verfügt – getragen von einer Organisation, die ihre internen Nutzer als Kunden versteht.
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